Egal wie man sie nennt Herdenschutzhunde, Hirtenhunde, oder HSHs. Es gibt eine Menge Bücher über diese spezielle Gruppe von Hundrassen, die ich in der Folge der Einfachheit halber HSHe nennen werde. Es ist relativ einfach, Statistiken und Fakten über Herkunft, Geschichte und Zuchtmerkmale in Büchern zusammenzutragen. Über die einzelnen Rassen lernt man in der Tat aber erst etwas, wenn man die Tiere als Individuen erlebt und das nicht nur dort, wo sie herkommen, sondern im direkten Zusammenleben in der Familie.
Auch wenn wir seit Jahren mit Hunden dieser Rassen im Familienverband leben, gehen wir nicht so weit, uns als HSH-Experten zu bezeichnen. Wir lieben und bewundern diese Hunde so sehr, dass wir uns gar nicht mehr vorstellen können, nicht unser Leben mit ihnen zu teilen.
Wir denken auch, dass die wenigsten Menschen Lebenszeit genug haben, so viel Erfahrung mit den einzelnen Hunderassen zu sammeln, um für eine ganze Sparte von zugegebenermaßen für den gleichen Zweck gezüchteten Rassen Experte zu sein. Gerade diese spezialisierten Rassehunde werden – vermeintlich baugleich mit marginalen phänotypischen Unterschieden in verschiedenen Ländern gezüchtet. Abgesehen von den Züchtern und/oder Liebhabern der einzelnen Rassen, könnte man als Außenstehender grob übertrieben davon ausgehen, dass es sich um einen Hundetypus handelt, bei dem geringfügig die Größe und die Fellbeschaffenheit variiert.
Interessenten unserer Pflege-HSHe haben früher das Buch „ "Herdenschutzhunde"“ von Thomas Achim Schoke als Erstinformation empfohlen, weil Herr Schoke, speziell auf den ersten 60 Seiten, dem Leser klarmacht, dass man sich einen Spezialisten ins Haus holt, der an seinen Halter einige Ansprüche stellen kann.
Dieses Buch hat uns den Gefallen getan, dass Interessenten von einer Adoption abgehalten wurden, die glaubten, sich bei der Anschaffung eines Pyrenäenberghundes ein weißes Plüschtier mit der Seele eines Golden Retrievers ohne Jagdtrieb einzuhandeln und es hat uns ermahnt, die Interessenten zu filtern und die abzulehnen, die sich über den Hund profilieren sollten. Einfach weil hier anschaulich beschrieben wird, was passieren kann, wenn die Passung Mensch - Hund nicht funktioniert. Herr Schoke beschreibt auch, wo die Grenzen der Hunde liegen, wie sie ticken und wo sie die Lust verlieren - ganz wichtig für die Personen, die zuvor gewohnt waren, einen Hund zu haben, der funktioniert. HSHs funktionieren nicht, sie denken mit.
Zum unserem Bedauern diente dieses Buch als Vorlage für Rasselisten in der Zeit, als sich die Landesregierungen mit immer strengeren Hundeverordnungen geradezu überbieten wollten. Dabei kamen auch Hunderassen auf die Liste, die bislang nicht einmal in Statistiken über Beißvorfälle auftauchten. Ein Opfer dieser Hundehysterie ist in unseren Augen der in vielen Bundesländern zumindest auf Liste 2 aufgeführte Mastin Espanol.
Leider hat dieses Buch vielleicht auch dazu geführt dass bestimmte Kreise, HSHs mit sog. Kampfhundrassen verpaarten, um eine legale Waffe zu haben.
Bei einigen Politikern hat in seltenen Fällen später der Verstand wieder eingesetzt, in anderen Fällen, brachten die Gerichte den Gesetzgeber zur Vernunft, was die Zuchtexperten aus dem gewissen Milieu betrifft, so kann man fast damit rechnen, dass diese bald merken, dass die in vielen Fällen sehr intelligenten Hunde auch schon mal eigenständig handeln können, insbesondere dann, wenn sie sich falsch oder ungerecht behandelt fühlen und die Waffe Hund auch schon mal nach hinten losgehen kann. Wie gesagt, der Hund denkt mit.
In diesem Falle hält sich unser Mitleid durchaus in Grenzen – aber schließlich drücken wir auch immer die Daumen für den Stier und nicht für den Torrero.
Auch innerhalb einer Rasse gibt es große charakterliche Unterschiede. Wenn man immer wieder mit der gleichen Rasse zu tun hat, stellt man fest, dass der eine Hund mehr als andere wohl in seinem Rassebuch nachgelesen hat und es mit den entsprechenden Rassemerkmalen auch sehr ernst nehmen kann, wogegen andere ihre Gene völlig zu ignorieren scheinen.
Als ich nach meiner Geburt aus dem Krankenhaus in die elterliche Wohnung einzog, blickte ich in die sanften Augen einer Airedalehündin. Nach deren Tod wurde sie durch einen Airedalerüden ersetzt, der in unserem Umfeld einen legendären Ruf erlang, weil er ein sehr emphatisches Wesen hatte. Seinem Tod folgte ein weiterer Airedalerüde und dann der nächste. Wie mein Vater war ich auf diese Rasse irgendwie geprägt und daher war es auch nicht erstaunlich, dass unser erster Hund Joe, ein Geschenk meiner Eltern, – wieder ein Airedale war. An dieser Stelle möchte ich klar betonen, dass ich mich auch nicht als Airedalekenner outen will, ich kann nur anmerken, dass sich wie oben erwähnt, all diese Airedales charakterlich sehr voneinander
unterschieden und die gängigen entsprechenden Rassebücher unseren Hunden nicht gerecht wurden. Die einzigen wahren Fakten der Bücher waren die Virilität, die Optik und die Beschreibung, wie ein Airedale zu scheren bzw. zu trimmen sei.
Wie schon an anderer Stelle beschrieben hat unser Obelix unser Leben dahingehend verändert, dass wir in ihm die Art von Hund entdeckt haben, die uns im Tiefsten berührte und dass wir lernten, dass die geliebte Airedalerasse eigentlich überhaupt nicht zu uns passt, obwohl unser Joe bestimmt der beste Airedale der Welt war.
Wie wir jetzt einschätzen können, war Obelix ein Mastin Espanol Mischling. In Spanien werden recht häufig Mastins mit großen Windhundrassen verpaart, um robuste Hunde für die Wildschweinjagd zu haben. Glücklicherweise zeigten unsere Vereinstiere bisher einen eher überschaubaren Jagdtrieb, sodass man sie bei Spaziergängen in der Regel ohne Leine laufen lassen konnte. Im Vergleich zu unseren eigenen Familienhunden war der Jagdtrieb eher lachhaft. Wichtig für das Ableinen ist aber, dass eine Bindung zwischen uns Menschen und dem Hund besteht. Dass er wir ihm wichtig waren. Diese Bindung entstand in einigen Fällen fast über Nacht, bei anderen erst nach einige Wochen.
Nur in einem Fall war der Freiheitstrieb sehr ausgeprägt: wenn man Janosch ( Pyrenäenberghund) ableinte, strahlte der Bursche über das ganze Gesicht, im Augenwinkel blitzte ein kurzes „ UND TSCHÜSS“ und schon war er weg.
Und bis auf Simba und die etwas zickige Mima konnten wir alle anderen ( Pflege-) HSHs ohne Zwischenfälle laufen lassen und das waren nicht wenige. Wobei Simba nur außerhalb seines Zuhauses mit anderen Vierbeinern unverträglich war, daheim kam er mit allem zurecht und Mima verbesserte ihr Verhalten deutlich nach der Vermittlung als Einzelhund. Sie ist mit zu vielen Hunden einfach überfordert. Wobei wir aber eigentlich eher ihre Schlittenhund Gene verantwortlich machten.
Die reinrassigen Mastin Espanols wie unser Luigi und Mendi dürften in Spanien am ehesten von Familien zur standesgemäßen Bewachung ihrer Häuser und Fincas angeschafft werden, sie findet man im Tierschutz seltener. Wenn schon Rassehund, könnte man meinen, macht zum Angeben ein Pyrenäenberghund vielleicht mehr her. Da kann man sich gleich wie Ludwig XIVe fühlen, der diese Rasse als Augenweide an seinem Hof in Versailles hielt. Bei den meisten der angebotenen Mastins de Pirineo dürfte es sich tatsächlich um die beliebten Pyrenäenberghunde halten. Nicht jeder Spanier kennt die eigenen Rassen und unterscheidet lediglich zwischen langhaarigen rein weißen HSHunden (= Montana de los Pirineos - Pyrenäenberghund) und solchen mit Abzeichen, die entweder als Mastin del Pirineo wenn nicht sogar völlig falsch als Mastin Espanol bezeichnet werden.
Der vielleicht einzige Not-Mastin del Pirineo, der uns in all den Tierschutztagen tatsächlich über den Weg lief, ist unser "Diesel", für dessen Adoption wir bis nach Albi in die Midi Pyrenees fahren mussten. Diesel haben wir über einen FRANZÖSISCHEN Tierschutzverein vermittelt bekommen., der normalerweise nur Windhunde rettet. Anstoß war der Besuch bei einem spanischen Züchter dieser Rasse im Sommer 2009.
Mein Mann wollte unbedingt mal einem Mastin del Pirineo in Echt gegenüberstehen. Mein Mann war hin und weg von den Hunden. Eine Begeisterung, die sich wegen der Hängelider der Elterntiere und den großen Lefzen meinerseits in Grenzen hielt.
Was ein Glück, dass alle Welpen bereits verkauft waren. Eine Bedingung für die Anreise, die ich vor dem Besuch gestellt hatte: die Welpen durften nicht mehr zu haben sein. Schließlich sind Babys einfach unwiderstehlich. Aug in Aug mit den Welpen wäre ich mir später nicht mehr sicher gewesen, ob wir unseren alten Hunden zuliebe standhaft geblieben wären.
Steffen und ich waren schlicht beeindruckt von dem freundlichen Wesen der Hunde dieses Züchters.
Offensichtlich scheint unser Diesel auch entsprechende Gene zu haben. Er ist ein echter Schatz, allerdings für seine Rasse eher untergroß und auch nur mit einem intakten Auge ausgerüstet. Das zweite gab es nur noch in milchig. Völlig egal. Dafür hat er ein Herz aus Gold. Für uns hat sich die weite Reise zu unserem Hund wirklich gelohnt.
Tatsächlich fehlt uns zur Rasse des Mastin del Pirineo ein langjähriger Erfahrungsschatz, aber gefühlsmäßig denke ich nicht, dass sich der Mastin vom Montagne de los Pirineos oder vom M. Espanol charakterlich sehr unterscheidet. Eines ist aber sicher: der Mastin del Pirineo sabbert um ein Vielfaches mehr als der Pyrenäenberghund –: Lefzen lügen nicht!
Aus dem Sabberfäden von Diesel, lassen sich wenn sie von Essensresten oder Erde verunreinigt sind, kleine Kügelchen machen. Daher reicht Diesels Beliebtheitsgrad nicht an den von Popeye ran.
Bisher konnte dieses Sabber-Talent nur ein Hund toppen: Camello (der für einen Mastin Espanol recht reinrassig aussah) . Wenn Camello an der Wasserschüssel getrunken hatte, gab es nur noch Wasser am Stück und das war sogar einigen unserer Pflegehunde zuviel. Vielleicht auch ein Grund, Windhunde einzukreuzen… .. Pingelige Hausfrauen werden bei einem solchen Hund kein Fett ansetzen.
Da unser Verein Tierschutz ohne Grenzen heißt, stehen wir grundsätzlich der Rettung aller Tiere aufgeschlossen gegenüber, unabhängig von ihrer Herkunft. So stammten unsere HSH-Vereinshunde aus Spanien, Portugal, Italien, Griechenland, Türkei, und Ungarn. Nach dem Motto: wenn Du sie nass machst und rasierst, dann sehen sie alle gleich aus –und folglich wird der Unterschied nicht so groß sein.
Das würden wir so nicht mehr unterschreiben. Wir denken vielmehr, dass jedes Volk die Hunde züchtet, die zur Herkunft, den Lebensbedingungen und den Bedürfnissen ihrer Bevölkerung passen. HSHs werden eher seltener als Familienmitglieder gezüchtet, sondern dienen einem bestimmten Zweck. In der Regel sollen sie das Eigentum ihrer Besitzer schützen, daher macht man sich das Territorialverhalten bzw. den Schutztrieb zu nutze. Je ärmer oder zumindest besitzorientierter die Bevölkerung, desto wichtiger ist es, dass der Hund Hab und Gut beschützt, desto eher wird der Züchter bei der Selektion darauf achten, dass der Hund kompromisslos das ihm Anvertraute bewacht und notfalls mit dem Leben beschützt. Je weniger man dafür Gelegenheit hat, gemeinsam diese Arbeit mit dem Tier zu erledigen, desto selbständiger muss der Hund in der Lage sein zu handeln. Ob diese selbständigen Hunderassen intelligenter sind als andere HSH-Rassen mag man der Spekulation ihrer Züchter überlassen. Es ist aber anzunehmen, dass der Job eines Kangal- oder Owtscharkahalters anstrengender sein wird, als desjenigen, der seine Karriere als HSH-Eigentümer mit einem spanischen HSH beginnt.
Es ist immer wieder erschreckend zu lesen, wenn sich HSH-Einsteiger in Foren wie folgt äussern: „ Wir wissen noch nicht, welche Rasse es genau werden soll, auf jeden Fall aber ein Herdenschutzhund, aber wir tendieren dazu, uns einen Kangalwelpen bei einem guten Züchter zu kaufen.“ Ja! Aus dem Tierschutz würden sie vermutlich keinen bekommen, weil im Gegensatz zum Züchter vor der Adoption ein Beratungsgespräch steht, bei dem der Tierschützer davon überzeugt werden muss, dass die neuen Halter der Aufgabe gewachsen sind.
Nicht selten erfährt man, wie die Besitzer stolz berichten, dass ihr neuer Liebling, nicht mal ein Vierteljahr alt, nach der Welpenstunde mit Altersgenossen, sich ganz alleine auf dem Hundeplatz alle Geräte angeschaut und teilweise sogar ohne Hilfe bewältigt hat. Wochen danach kann man dann das Gejammer lesen, dass der Hund doch nicht das macht, was man von ihm erwartet. So rennt der einfach weg, wenn man ihn von der Leine lässt und will auch gar nicht auf seine Besitzer hören, obwohl die alle Tricks anwenden, die sie in den diversen Hundeschulen gelernt haben.
Ups. Ab jetzt lernt man, einen intelligenten, selbständigen Hund zu haben, der bereits gemerkt hat, dass seine Menschen ihm in der Hund-Mensch-Beziehung unterlegen sind. Sorry, aber der Hund sollte nie schlauer als der Mensch sein. Da Hunde in der Regel sehr konsequent handeln, wird das Zusammenleben um so mehr erschwert, desto unabhängiger die Hunde von uns sind. Je stärker der Hund sich selbst überlassen wird, indem er beispielsweise alleine im Garten herumgammelt und SEIN Territorium bewacht, desto weniger braucht er seinen Menschen. Und dann soll es Hirten geben, die ihren Kangal nur mit Brot und Wasser ernähren, darauf vertrauend, dass sich der Hund schon das erjagt, was er an tierischem Protein benötigt.
Merken Sie etwas? Mancher HSH jagt eben mehr als der andere.
Und leider hat man es unterschätzt, das HSH- Kind an Umweltreize zu gewöhnen. Manche Hunde sind noch nicht mal an Besuch gewöhnt.
Je höher der Lebensstandard der Bevölkerung, desto eher wird man Hunde züchten, die sich als Familienhunde eignen, also Hunde bei der die Besitzer nicht Dauerkontakt zu Hundeschulen halten müssen, um mit ihren Hunden ein entspanntes Leben führen zu können. Daher ist unsere Erfahrung die, dass spanische, italienische und vielleicht auch noch portugiesische HSH sich
besser als Einsteigerhunde in diese Rassen eignen, weil man ihren Genen nicht immer mit aller Gewalt durch Selektion das abtrotzt, was einen territorialen, eigenständig denkenden und handelnden Hund ausmacht, der darüber hinaus Fremdem gegenüber misstrauisch ist. Nicht wenige der eher urtümlichen Hunde sind in unserer Welt völlig überfordert, oder sie überfordern ihre Eigentümer um am Ende von genau diesen Menschen, denen sie ihr Elend zu verdanken haben, verraten zu werden.
Wenn man dann feststellt, dass der selbstverzogene HSH Welpe mangels ausreichender oder schlicht nicht erfolgter Sozialisation zur Belastung wird, weil der selbstverzogene Problemhund keinen Besuch mehr erlaubt und weil man nicht gelernt hat, genug Bindung aufzubauen, so dass der nun groß gewordene Hund auch Lust hat, nach dem Ableinen wieder freiwillig auf Zuruf zu kommen, und statt dessen die Mittelkralle zeigt, vorausgesetzt er schenkt seinem angestellten Futterknecht überhaupt Beachtung – spätestens wenn der Umgang mit dem HSH lästig oder anstrengend wird, dann mutiert auch manch deutscher Hundehalter zum Verräter am eigenen Tier und schiebt ihn ins Tierheim ab. Die Liste der Nothunde gewisser HSH Rassen ist lang. Nur dass sich unsere Tierheime dadurch unterscheiden, dass sie wenn sie diese von ihren Besitzern verratenen Tiere aufnehmen, sie Tiere notfalls bis zum Lebensende beherbergen und nicht wie es im Ausland die Regel ist, die Tiere eben einschläfern. Die Betonung liegt auf: „wenn sie aufnehmen“. Denn nicht jeder Verein willig und in der Lage ist, den vom ehemaligen HSH-Halter verkorksten Welpen bzw. Junghund aufzufangen, zu resozialisieren und auch entsprechend zu vermitteln – zumal gerade die intelligenten Hunde sich Erziehungsfehler wie Elefanten gut merken und schwer verzeihen können. Und wenn das Tierheim sich diese Aufnahme nicht leisten kann, wie schnell wird dann einem Terarzt eine ganz andere Geschichte erzählt, mit dem Ziel den vermeintlich gefährlich gewordenen HERDENSCHUTZHUND einzuschläfern.
Haben Sie jemals einen Herdenschutzhund in einem Tierheim gesehen, der gerade sein Zuhause verloren hat? Wir schon. Das ist für diesen empfindsamen Hund ein echtes Drama.
Ein HSH erlebt einen doppelten Verlust: er verliert zum einen sein Territorium, seine Lebensaufgabe und er verliert seine Familie – den Grund, der dieser Lebensaufgabe überhaupt einen Sinn gab.
Ich werde niemals das fassungslose Gesicht des Mastin Espanol Rüden vergessen, der gebrochen, still leidend in seinem Zwinger saß und dem ununterbrochen vor lauter Seelenschmerz lange Speichelfäden aus dem Mund liefen. Diesen Weltschmerz sah ich wieder in den Augen von Luigi, als er am Weihnachtstag 2007 mit seiner Mutter? aus Bilbao hier in Deutschland ankam. Beide Hunde waren am Ende. Es dauerte eine Woche, bis Luigi wieder fraß und fast ein Vierteljahr, bis er wieder lachen konnte.
Gerade wenn HSHe bereits einer Familie einmal ihr Herz geschenkt haben, fallen sie in ein besonders tiefes Loch. Im Falle von Samson, einem weißen Mastin E., den seine erste richtige Familie aus einer spanischen Tierhölle mit unserer Hilfe gerettet hatte und ihn nach einem Jahr schweren Herzens wieder abgeben musste, erholte sich von diesem Verlust nie wieder.
Er akzeptierte einen neuen Besitzer, aber sein Herz hatte er bereits zuvor verschenkt.
Unsere Pflegehunde wissen unsere Hilfe zu schätzen. Und wir geben uns alle Mühe, sie aufzurichten und ihnen wieder Vertrauen zu uns Menschen zu geben. Unsere Pflege HSHe danken uns dies durch eine große Loyalität. Mancher unserer überaus friedlichen Pflegehunde hätte uns im Gegensatz zum eigenen Hund notfalls mit seinem Leben geschützt, wenn es nötig gewesen wäre.
Aber wir sind nur Pflegefamilie. Bei uns ist die vierbeinige Konkurrenz doch groß. Immer muss geteilt werden. Die Anzahl der Streichelhände bleibt konstant. Unsere Pflegehunde registrieren natürlich auch die kleinen Privilegien der Familienhunde. Aber diese Privilegien sind nötig, um unsere eigenen Hunde wiederum darüber hinwegzutrösten, dass sie die eigene Familie immer mit den Pflegehunden teilen müssen. Übermäßiges Mitleid mit Pflegehunden macht neidisch und eifersüchtig.
Vielleicht wird an diesen Privilegien unserem Gast später klar, in der eigenen Familie angekommen zu sein. Wir sind Wegbereiter für die künftige Familie unserer Nothunde. Sie sollen sich auch wohl fühlen. Aber durch die Vermittlung verbessern sich unsere Pflegehunde, weil sie Exklusivrechte an ihren Menschen gewinnen und diese Verbesserung dient als Vertrauensbasis in der neuen Familie.
Derjenige, der sich einen Herdenschutzhund, HSH Hirten oder sog Hütehund anschaffen will, sollte sich im Vorfeld wirklich Gedanken machen, was er tut. Ein Hund dieser Rassen wird unter einer Trennung viel, viel schlimmer leiden, als dies ein Hund anderer Rasse empfinden würde. HSHs ticken anders.
HSHe sind zu schade, um auf einem Grundstück zu vergammeln, um Besitz zu verteidigen. Nur bei hundertprozentigem Familienanschuss entwickeln sie sich zu den Persönlichkeiten, die einem ans Herz wachsen und die man nach deren Ableben vermisst. HSHe können angenehme Lebenspartner sein, Freunde, die mit uns auf Augenhöhe das Leben teilen. Besser als mancher Ehepartner. "In guten wie in schlechten Tagen" ist hier kein Lippenbekenntnis.
Aber Augenhöhe ist wichtig. Auch der Hund braucht einen verlässlichen Partner zu dem er durchaus aufblicken möchte. Das gibt ihm Sicherheit, die auch diese großen Hunde brauchen. Nicht der HSH sollte uns Sicherheit vermitteln, sondern wir dem Hund. Wir sollten souveräner, großmütiger Boss des Hundes sein. Daher sollte man als Adoptionswilliger bei der Auswahl des Hundes die Rasse der Kompetenz des Halters anpassen. Es muss nicht gleich der (Südrussische) Owtscharka oder Kangal sein, auch wenn sie noch so elegant aussehen.
Wir raten Hundehaltern, die nicht die Konsequenz eines Oberlehrers haben, eher zu den unkomplizierteren spanischen, italienischen oder portugiesischen Rassen. Sie verzeihen eher mal die „ Ausnahme“ der Konsequenz. Und nicht nur aus tierschützerischer Sicht, sondern aus gemachter Erfahrung raten wir eher zum erwachsenen, schon geprägten Hund, als zum Welpen. Die Aufzucht eines HSH Welpen ist deutlich aufwändiger als die eines NICHT-HSH Welpen. Dazu sollte man bereits Erfahrung mit der Rasse haben.
Nur beim erwachsenen Hund wissen Sie wirklich, welche Hundepersönlichkeit Sie sich ins Haus holen und ob Sie dem Hund gewachsen sind. Aber in der Tat, " verkaufen" sich nicht alle HSH hinter Gittern. Oft ist deren einzige Aufgabe im Tierheimleben, ihr Gehege zu bewachen und mögliche Interessenten anzubellen. Auch der aufmunternde Satz mancher Tierpfleger: " Der sucht sich seine Leute aus." macht nicht immer Mut. Bedenken Sie: außerhalb des Zwingers sind die Hunde oft wie verwandelt. Nur Mut! Bedenken Sie: Ihnen wird als neuer Besitzer in den Augen des Hundes immer etwas Mystisches anhaften: " Das ist die Person, die mich aus dem Zwinger geholt und mir ein Zuhause gegeben hat. Die Hunde vergessen das nicht. Auch Tierschützer, die nach einem Transport die Hunde aus der Transportbox lassen, tragen einen gewissen Bonus davon, der ihnen die Chefrolle sichern kann, wenn sie diese auch weiterhin angemessen ausfüllen.
Wenn Sie unsicher sind, einen Hund direkt aus dem Zwinger in ihr Heim zu holen, dann suchen Sie sich doch gezielt einen HSH, der bereits das Glück hat, in einer Pflegefamilie zu leben. Hier können Sie vor Ort genau sehen, wie er mit Umweltreize umgeht, ob er andere Hunde wirklich akzeptiert, die Katze noch lebt oder die Kinder einen unbeschadeten Eindruck machen. In der Weise wie Sie vom Hund begrüßt werden, können Sie einschätzen, ob Sie als neues Herrchen später mit diesem Hund noch Besuch bekommen ( dürfen). Das ist mehr Gewissheit, als Sie beim Kauf eines (HSH) Welpen haben können.
Zum einen wissen Sie bei Welpen nicht immer, ob der Hund wirklich reinrassig ist und wenn nicht, welche Rassen evt. noch in das Wesen des Hundes Einfluss haben und zum anderen, wissen Sie auch noch nicht, wie sich der Hund durch Ihre Erziehung entwickeln wird. Erst im Nachhinein kann man beurteilen, ob sich die Hundeschule Ihrer Wahl tatsächlich so gut mit HSHen auskennt.
Für unsere Familie käme kein HSH Welpe mehr in Frage. Zum einen hätten nicht die Zeit., zum anderen sind wir kuriert. Mit unserem Archie machten wir 10 Jahre den Härtetest durch. und das, obwohl wir mit Archie jede Woche Einzelstunden bei einem geschulten Hundetrainer besuchten. Man kann wirklich richtig danebengreifen. Bei Archie half kein guter Wille, Langmut und kompetente Hilfe: seine Gene waren stärker.Ingo Apelt würde von einem A.-Hund sprechen.
Als Welpe vor der Tötung gerettet. merkten wir erst nach einigen Monaten, als Archie das Wachstum einstellte, dass unser Archie, nicht nur Pyrenäenberghundgene, sondern auch Jagdhundgene in sich trug. Es resultierte ein bildschöner Hund: Archie sieht heute aus wie ein dicker Bordercollie.. Der Schein trügt. Denn in seinem Brust schlummern zwei Seelen, die des HSH und die des Jagdhundes, gepaart mit Intelligenz. Im Alltag sahen wir uns mit einem untergroßen und damit unsicheren HSH-Mix konfrontiert, der mit seinen Hundekumpeln nicht mal 15 Minuten alleine bleiben konnte, ohne ein Schlachtfeld zu verursachen, der in seinem Misstrauen zumindest 10 Jahre unbestechlich war und kaum von der Leine gelassen sofort gewildert hätte.. Einen vermeintlichen Feind am Horizont, verfolgte er unbeirrt mit den Augen. Archie s Gene waren immer stärker. Bei aller Liebe, aber wir hatten mit Archie 10 harte Jahre. Jetzt ist er fast 13 Jahre alt und seit etwa 3 Jahren eine Bereicherung. Senilität macht milde, gell Archie?
HSHe haben es verdient, gut behandelt zu werden. Dass man ihnen mit Respekt und niemals mit Gewalt begegnet. Sie sind es wert, dass ihre Familie ebenso loyal zu ihnen steht wie sie es selbst tun. Sie würden uns nie ins Heim abschieben. Wer einen HSH adoptiert, sollte garantieren können, ihm bis zum letzten Atemzug Freund zu sein und ihm ein endgültiges Heim zu geben. Wobei wir das allen unseren Pflegetieren wünschen.
Nur in ganz, ganz seltenen Fällen machten uns unsere HSH Pflegehunde Sorgen. Ein Tipp: lassen Sie unbedingt ihren HSH kastrieren! Sie werden sich im Umgang mit ihm einfach in allem leichter tun. Sogenannte Experten, die Ihnen davon abraten, sind entweder Züchter oder haben schlicht keine Ahnung.
Unser Verein gibt HSHe grundsätzlich nur kastriert ab und hat dies nie bereut. Auch was die Inkontinenz kastrierter Hündinnen betrifft. Keiner unserer HSH Mädchen wurde inkontinent. Offensichtlich ist nicht das Gewicht der Hündinnen, sondern doch das Geschick der Tierärzte ausschlaggebend.
Natürlich verändern sich die Tiere nach der Kastration. Sie benötigen weniger Futter, die Rüden bleiben im Kontakt mit anderen Rüden einfach gelassener. Dass der Schutztrieb durch die Kastration verstärkt würde, ist schlicht unwahr. Ebenso, dass die Hunde träge werden würden. Man darf Gelassenheit nicht mit Trägheit verwechseln.
Bei Simba und vor allem bei Mima, die außerhalb der eigenen 4 Wände nicht mit allen Hunden verträglich waren, hätte ich mir Rat aus folgendem Buch holen können: Hundereich von Mirjam Cordt. Leider kam das Buch erst später auf den Markt. Und ebenfalls können wir Mirjam Cordt neues Buch HSH Hirtenhunde/Herdenschutzhunde empfehlen. Und das nicht nur, weil auch unser Luigi auf Seite 53 einen Platz gefunden hat. Beide Bücher werden insbesondere den Personen helfen, die diesem Artikel nicht Glauben schenken und denen die spanischer HSH zu lasch sind.
Sollten Sie in unserem Verein keinen passenden HSH finden, dann besuchen Sie doch unbedingt das Tierheim Ludwigsburg, den Tierschutz Wörrstadt oder schauen Sie bei der Herdenschutzhundhilfe rein. Weitere Anregungen finden Sie unter Links. Insbesondere das Tierheim Ludwigsburg und die Herdenschutzhundhilfe haben außer den Spaniern auch andere HSH-Rassen. Bei diesen Vereinen können Sie sicher sein. kompetent beraten zu werden. Und das ist das wichtigste bei einer Adoption eines HSHes.
Wir werden in der Folge Berichte über vermittelte HSHen veröffentlichen, die uns ihre Halter zur Verfügung stellen. Die Berichte zeigen in ihrer Unterschiedlichkeit , auf welches Abenteuer man sich einläßt, wenn man einen Herdenschutzhund adoptiert. Die Berichte machen das Potential aber auch die Grenzen der Hunde deutlich und zeigen auf, welche Ansprüche diese Hunde auch an ihre Halter stellen. Natürlich kann man ebenso erkennen, wie lernfähig die Tiere in den richtigen Händen sind und was sie leisten, wenn sie ihren Menschen vertrauen.