Charaktertiere





Seit einigen Jahren leben bei uns immer wieder Pflegehunde bis zu Ihrer Vermittlung. In den ersten Jahren nahmen unsere Auslandshunde gegenüber den deutschen Tierschutzhunden den Platz von Exoten ein, bis man in unserer Region bald merkte, dass diese Hunde einen besonders sozialen Charakter hatten und sich gut in Familien integrieren ließen. Im Gegensatz zu deutschen Abgebern, die ihr Tier in vielen Fällen ohne Rücksicht auf Verluste loswerden wollen, bekamen wir von den befreundeten Tierschützer immer ehrliche Angaben zu den vierbeinigen Notfällen. Auch dass unsere „Ausländer“ den typischen deutschen Tierschutztieren keinerlei Konkurrenz waren, sah man bald ein.

Damals gab es Monate, in denen sich die Tierschutzhunde geradezu die Klinke in die Hand gaben.

Zum Glück hat unser Beispiel Schule gemacht und immer mehr Tierschutzvereine arbeiten mit Tierschützern im Ausland zusammen, um Tieren das Leben zu retten. Auch unser Verein hat in der Vergangenheit einige tiefe Freundschaften zu anderen Vereinen aufbauen können, gemeinsam sind wir stark und gemeinsam können wir leisten, worauf wir stolz sind: dass wir auch besonderen Hunden eine Chance geben können.

Sicher, es ist lustig, jungen Hunden beim Spiel zuzusehen. Wie sie hinter einem Ball herjagen, über die Wiese flitzen und Lebenslust pur versprühen.

Wer einen Hund oder eine Katze von Welpe an besaß, vermag sich beim Anblick der Babybilder sicher noch daran erinnern, wie es damals klick machte. Aber wie bei der Liebe auf den ersten Blick entscheiden die Jahre des Zusammenlebens darüber, dass man als Paar (Mensch/Tier) zusammenwächst, dass diese Liebe reifen kann und ob es die ganz große Liebe wird.

Jeder, der ein Tier bis zu seinem friedlichen Ende begleitet hat, wird mir zustimmen. Nämlich dass wir nach wie vor die Welpenbilder süß finden, dass aber die Bilder, die die Tiere als Erwachsene zeigen, den Stich ins Herz geben, weil wir bei deren Anblick begreifen, was wir verloren haben.

Auch wenn bei der Anschaffung der eine oder andere Charakterzug des Welpen kaufentscheidend ist, so ist das Tier noch ein unbeschriebenes Blatt, das sich erst in den nächsten Jahren zu einer Persönlichkeit wird. Hoffentlich.

Denn so wie es Menschen gibt, die sich niemals durch etwas aus der Masse erheben, gilt das auch für Tiere. Man muss schon ausgezeichnete Gene haben, um sich auch ohne Förderung zu einer Besonderheit zu entwickeln.

Nach wie vor haben unsere Auslandstiere den Vorteil immerhin in der Zeit, während sie noch Welpen und süß waren, eine unbeschwerte Kindheit erleben zu dürfen und nicht aus Massenzüchtungen der Nachbarländer( wie Ungarn, Polen und Belgien) zu stammen.

In diesen Massenzuchtanlagen, Wurfbox an Wurfbox, verbringen viele sog. „Zuchttiere ohne Papiere“ oder aus „Hobbyzucht“ ein freudloses Dasein, bis man sie viel zu früh der Mutter entreißt, um sie im Kofferraum über die Grenze zu schmuggeln. Auch wenn Geiz geil ist, nennt man es Schmuggeln, wenn man mit gefälschten Papieren Tiere aus dem Ausland importiert.

Die Käufer handeln schon deshalb unverantwortlich, weil sie durch Ihr Kaufverhalten fördern, dass viele Welpen an Infektionskrankheiten sterben, bevor sie den Käufer überhaupt erreichen. Die Gier der Vermehrer wird belohnt, daher können diese auch die hohe Welpensterblichkeit verschmerzen. 70% Verlust sind keine Seltenheit. Es wurde ja zuvor nur in einen Deckakt investiert, wobei man auf die Gesundheit und das Wesen der Elterntiere keinen Wert legen musste. Sieht aus wie, ist das Entscheidungskriterium der Zucht, nicht die Qualität der Gene.

Tausende von Tieren bleiben auf der Strecke. So erscheint es fast schon gerecht, dass die „Schnäppchenjäger“ mit Tieren bestraft werden, die oftmals nicht gesund sind und Verhaltensauffälligkeiten aufweisen. Das Lehrgeld wird dann hier in deutschen Tierarztpraxen und bei Hundepsychologen entrichtet.

Wer lange immer wieder Tiere aufnimmt, um sie in gute Hände zu vermitteln, verliert auf die Dauer sein Herz an die Hunde, die die meisten Menschen nicht einmal auf den zweiten oder dritten Blick zur Kenntnis nehmen.



Auch wenn Tierschützer immer bemüht sind, durch Kastrationskampagnen Geburten zu vermeiden, so lässt sich auch im Tierschutz nicht jeder Welpe verhindern. Schließlich befinden sich auch noch sehr junge Hunde dann und wann in Not.

Und ganz sicher bringen Welpen, insbesondere wenn sie gesund sind, in den Tierschutzalltag eine positive Abwechslung. Aber sie sind auch anstrengend, knabbern manch lieb gewordenes Möbelstück an und haben auch keinen Respekt vor Dingen, die uns Menschen am Herzen liegen: Teppiche, Tapeten, antike Möbel.


So niedlich sie aussehen mögen, so lustig sie sich auch bewegen, so drollig ihre Unbeholfenheit auch ist…. eines haben sie nicht: einen einzigartig, durch die Erfahrung der Jahre geformten Charakter. Lebensweisheit. Würde.

 


Ihnen fehlt der würdevolle Blick, die Dankbarkeit über einen gemütlichen Liegeplatz, gutes Essen, angenehme Unterhaltung. Nicht mein zunehmendes Alter, mehr die Erfahrung mit gereiften Tieren haben mich mehr und mehr auf den alten Hund kommen lassen.

Wer die Geschichte von Obelix gelesen hat, der mag schon gemerkt haben, dass dieser Hund für einige Tierschutz ohne Grenzen Hunde eine Bresche geschlagen hat. Obelix war wie unser derzeitiger Notfall Fede ein Hund, der trotz aller Hinfälligkeit uns deutlich zeigte, dass er nicht vergessen hatte, dass er ein Hund ist, der mal etwas darstellte. Ein Herr.

Auch zu Zeiten, als Obelix vor lauter Schwäche kaum stehen konnte, war er, wenn er Gefahr für uns Menschen witterte im Stande, alle Kräfte zu mobilisieren, um sich als Schutz zwischen uns und den vermeintlichen Feind zu schieben.

Fede steht Obelix in nichts nach. Wenn auch noch wackelig auf den Beinen strahlt er Autorität aus, die auch von den anderen gleichgroßen Hunden respektiert wird. Er ist auf seine Weise unangreifbar, obwohl er körperlich im Vergleich mit den anderen Hunden unbewaffnet ist. Er erinnert an einen alten Offizier aus den vermeintlich guten Zeiten: stolz, würdevoll. Oder an einen knorrigen alten Großvater, der mal Oberlehrer war, sich aber heute im Alter sehr liebevoll und milde zeigt. Daher ist seine Anhänglichkeit besonders rührend. Fede ist da, wo die Menschen sind, die ihm sein neues – angenehmes – Leben ermöglichen.

Gereifte Tiere wissen erwiesene Dienste, die wir Menschen ihnen angedeihen lassen, einfach besser zu schätzen.

Während der Junghund nach einer Eingewöhnungsphase schon mal aufmüpfig wird und versucht seine Kräfte mit uns zu messen, was durchaus auch anstrengend sein kann, geniest der ältere Hund die Dinge, die er lange vermissen musste: Zuwendung, Aufmerksamkeit, ein warmes Plätzchen, sich satt zu essen, oder sogar nur unsere stille Gesellschaft.


Als Luigi im Dezember 2007 zu uns kam, war er seelisch am Ende. Abgemagert auf die Knochen hatte er sich bereits aufgegeben.

Doch auch wenn es wie ein Wunder scheinen mag: nach einigen Monaten lachte uns dieser liebevolle, gutmütige Riese, uns jeden Tag dankbar an, als wollte er uns sagen, dass wir seinem Leben einen neuen Sinn gegeben haben. Und wenn ich seine innere Freude spürte, der Tierhölle in Bilbao entronnen zu sein, um jetzt die Zuwendung einer Familie spüren zu dürfen, ging mir das Herz auf. Dann hat man auch als Tierschützer einen guten Tag. Denn dann merken wir, wie viel dieser Hund uns Menschen gibt. Und weil er auch viel zu schade für uns war, er eine eigene Familie ohne große Hundkonkurrenz verdiente, freuten wir uns riesig für ihn ebenso wie für Fede, dass jeder für sich einen Traumplatz bekam. Ja, beide haben ganz tolle Menschen gefunden und werden es durch ihre Liebe danken, die sie zu geben haben..



Mag sein, dass nicht jeder Mensch, der alt geworden ist, automatisch zum geschliffenen Diamant wird. Aber wir haben die Erfahrung gemacht, dass dies auf sehr viele Tiere zutrifft. Vielleicht geschieht tatsächlich ein gewissen Aussieben. Vielleicht muss man als altes Tier tatsächlich über ein gewisses „Shining“, ein inneres Strahlen verfügen, um nicht in einer schmutzigen Perrera, dort wo alles nach Tod riecht, an gebrochenem Herzen zu sterben.




Und während viele Hunde diese Phase nicht überleben, stehen immer wieder auch kleine alte Tiere an den Gittern und appellieren durch Ihre Blicke: “Nimm mich.“

Sicher, diese Tiere sind selten niedlich, auf den ersten Blick erscheinen sie nicht mal liebenswert, aber sie bereichern unser Leben und die der späteren Familien, die sie adoptieren.




Es ist ein Vorurteil, dass ältere Tiere sich nicht einpassen können. Tatsächlich berichten die Adoptanten, dass sie bereits nach wenigen Tagen das Gefühl hätten, diesen Hund schon immer zu besitzen und sie teilen uns Dinge mit, die ihre neuen Familientiere binnen kurzer Zeit gelernt haben.

Gerade ältere Hunde versuchen es Ihren Menschen recht zu machen, sind aber durch ihre Reife in der Lage, einfühlsam sich in die Familien einzupassen und auf leise Art ihren Platz zu finden.

Zuletzt begeisterte uns Otto. Wer Otto in die Augen schaut, sieht sofort, dass er einen Hund vor sich hat, der viel erlebt hat. Der Riss im Lid, vermutlich durch einen Biss, zeugt durchaus auch von Zeiten, wo dieser gelassene, selbstsichere aber völlig friedfertige, kleine Hund auf der Überholspur gelebt haben muss. Auch er fand für sein letztes Lebensjahrzehnt noch eine Familie, die in ihm den besonderen, unverwechselbaren Hund sieht, der er ist.

 


 

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